Wir fahren auf einer wenig befahrenen Landstraße entlang, noch ein paar Meter, dann müssten wir endlich da sein. Von weitem sehe ich ein massives schmiedeeisernes Tor, dass seine besten Zeiten hinter sich hat. Die Auffahrt dahinter ist sehr weitläufig, das Gebäude ist gut hinter den Bäumen versteckt. Man sieht nichts außer der langen Auffahrt, die über und über mit Unkraut bewachsen ist – hier ist schon lange niemand mehr langgefahren. Wir parken also unser Auto und quetschen uns durch eine Lücke zwischen dem Tor und dem angrenzenden Zaun und laufen die Auffahrt hinauf. Nach einer kleinen Biegung tut sich eine Treppe vor uns auf. Sie bröckelt schon etwas und manche Stufen sind kaum zu erkennen, weil so viel Moos darauf liegt. Mein Puls schlägt mir bis zum Hals, die Aufregung und die Anstrengung vermischen sich, dann sehe ich endlich ein helles hochragendes Gebäude – wir sind da!
Durch die offene Terassentür gelangen wir schnell in das Speisezimmer, hier steht ein langer Tisch mit 10 Stühlen, vermutlich waren es früher sogar mehr. Vereinzelt steht altes Geschirr auf dem Tisch, teilweise echtes Silber. Der ganze Raum wirkt sehr prunkvoll, trotz des offensichtlichen Verfalls. Die Decke ist mit wunderschönen Verzierungen geschmückt und genau über der langen Tafel hing mal ein imposanter Kronleuchter. Der wurde inzwischen leider geklaut, wie so viele wertvolle Gegenstände aus diesem Schloss.
Das prachtvolle Anwesen wurde im 19. Jahrhundert von einem sehr wohlhabenden Mann gebaut, der dort mit seiner Frau und seinen 13 Kindern lebte. Als die Kinder alle ausgezogen waren, zog auch das Ehepaar aus, weil ihnen das Haus alleine zu groß war. Von nun an betrieben sie es als Hotel, bis der Mann im Alter von 64 Jahren verstarb und die Ehefrau das Schloss verkaufte. Schließlich wurde es von einem sehr reichen arabischen Ölscheich gekauft, der es als Sommerresidenz für sich und seine Familie nutzte. Die Familie schien einen sehr starken Bezug zu ihrer Heimat zu haben, früher hingen überall Ölgemälde von arabischen Königen und viele Gegenstände verdeutlichten den starken islamischen Glauben der Familie.
Vor ein paar Jahren verstarb das arabische Oberhaupt der Familie und niemand kehrte jemals zurück in die Sommerresidenz. Alle persönlichen Gegenstände und alle Besitztümer wurden einfach zurückgelassen, sogar der Strom lief noch. Es hat sich niemals jemand aus der Familie um das Schloss gekümmert.
Das haben leider auch einige Diebe gemerkt, die in der letzten Zeit schubkarrenweise, die Wertgegenstände aus dem Anwesen gekarrt haben. Die Ölgemälde sind verschwunden, ein großer Teil des teuren Geschirrs und aufwendig gearbeitete Möbelstücke ebenfalls. Das macht mich unglaublich wütend und sprachlos.
Upload: 07.10.21