Villa G

Villa G


Schon vor über zwei Jahren stand ich auf diesem Grundstück und versuchte einen Zugang in das Haus zu finden. Doch plötzlich stand ein älterer Herr vor meiner Begleitung und mir und sprach uns an, was wir hier zu suchen hätten. Es stellte sich heraus, dass er die Garage des Grundstücks angemietet hatte und dort an seinem Auto werkelte. Leider verriet er uns nicht mehr über das Haus und ließ es uns auch nicht erkunden. Freundlich, aber bestimmt verwies er uns des Grundstückes. Doch schon da war für mich klar: hier muss ich unbedingt noch einmal hin, denn das, was ich hinter den Fenstern gesehen habe, sah so schön aus!

Und nun stand ich kürzlich erneut vor dieser Villa. Der verwilderte Garten zeugte deutlich, dass sich noch immer niemand um das Haus und das Grundstück zu kümmern schien. Selbst die Einfahrt war komplett bewachsen, wir konnten also relativ sicher ausschließen, dass der damalige Garagenmieter noch hierherkommt.

Wir haben dann den Titel des Filmes „Ab durch die Hecke“ sehr ernst genommen und sind so auf das Grundstück gelangt. Dort stand dann zu meiner großen Freude direkt die Tür zu diesem süßen Wintergarten weit offen. Ich musste den Anblick, der sich mir bot erst einmal auf mich wirken lassen. Alles sah so einladend und schön, und gleichzeitig stark in die Jahre gekommen aus. Dieser Wintergarten ist wirklich eines meiner tollsten Fotomotive in einem verlassenen Haus, ich bin so verliebt in diesen Anblick gewesen und die ganzen Details gewesen.


Durch die Terassentür gelangten wir durch den Wintergarten direkt ins Wohnzimmer des Hauses und standen vor einer großen Ledercouch. Drumherum war alles etwas wüst. Es lagen dutzende alte Dias überall verteilt, altes Geschirr war verteilt, leere Portemonnaies und Taschen lagen herum und dazwischen standen kleine Miniaturhäuser und Grundstücke. Hier hat definitiv schon jemand durch die Besitztümer der ehemaligen Besitzer gewühlt.

Im hinteren Teil des Wohnzimmers war ein weiteres Sofa und mehrere Sessel, die um einen Tisch standen, der voller leerer Gläser war. Dazwischen lag ein alter Brief, der an den damaligen Besitzer adressiert ist, der scheinbar ein Unternehmer war und ein Geschäftsangebot aus Nigeria bekommen hat.

Hinter dem reichlich gefüllten Tisch befand sich die dazugehörige Bar, dessen Inhalt scheinbar sowohl auf der Theke als auch im Rest des Wohnzimmers verteilt wurde. Ein kleiner geschmückter Plastiktannenbaum steht zwischen den Flaschen und wirkt fehl am Platz.

Direkt angrenzend an das Wohnzimmer befand sich die Küche, auch hier wurde einiges durchwühlt. Die Küchenschränke standen offen, ihr Inhalt auf dem Boden verteilt. Auch hier lagen Dias und alte Kinderfotos, sowie verschiedene Brettspiele. Über einen Flur, wo sich auf die eigentliche Eingangstür befindet, gelangten wir dann in die oberste Etage. Der Flur wirkte sehr edel, ein imposanter Kronleuchter hing mittig in dem Raum. Die geschwungene Treppe war mit roten Teppich ausgelegt.


Die erste Tür im Obergeschoß führte in das damalige Büro, mittig stand ein Schreibtisch. Mehrere Bücher lagen dort verteilt, unter anderem ein spanisch-französisches Wörterbuch.

Ein Raum weiter befand sich das Badezimmer mit blaugepunkteten Kacheln an der Wand. Dadurch wirkte das Badezimmer extrem unuhig - keine Ahnung, wie man sich für solche Kacheln entscheiden kann. Im Bad standen alle möglichen Badutensilien, wie Zahnbürsten, Mundspülung, Gesicht- und Körpercremes und Rasierutensilien. Offensichtlich hat hier zuletzt ein Ehepaar gewohnt.

Im hinteren Teil des Flures gelangte man in das ehemalige Schalfzimmer des Ehepaares. Ein Blickfang war direkt das Bett mit dem Blumenmuster und den passenden Sesseln links und rechts daneben. Auf dem ordentlich gemachten Bett war ein Familienfoto einer vierköpigen Familie und ein weißes Oberteil drapiert. Das Oberteil sieht aus, als wäre es das Taufkleid eines kleinen Kindes. Wieso jemand die Sachen dort so dekoriert hat, weiß ich nicht. Auf mich hat das ganze ehrlich gesagt etwas gruselig gewirkt, ich kann aber nicht genau sagen wieso. Vermutlich habe ich an das Bild denken müssen, was unten im Flur stand und die Abbilder von verstorbenen Menschen gezeigt hat. Also diese Aufnahmen wurden von ihnen nach dem Tod gemacht und wurden dann anscheinend als Andenken in den Flur des Hauses gestellt. Das war wirklich ein komischer Anblick - ich verstehe nicht, wieso jemand solche Bilder in seinem Haus haben möchte.

Tatsächlich frage ich mich auch, warum man neben seinem Bett einen Sessel stehen hat, ich kann mir kaum vorstellen, dass da wirklich mal jemand drin saß. Ansonsten wirkte das Schlafzimmer ziemlich gemütlich. Gegenüber vom Bett stand noch eine ziemlich ramponierte Kommode, die als Schminktisch der Frau genutzt wurde.

Alles in allem wirkte diese kleine Villa, als hätten hier einmal sehr wohlhabende Menschen mit ihren beiden Kindern gelebt. Der Ehemann schien ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen zu sein, wodurch die Familie sich diesen hohen Lebenstandard leisten konnte. Inzwischen steht das Haus schon mindestens 15 Jahre leer. Aber wieso, das ließ sich leider nicht herausfinden. Höchstens ein alter Rollator im Flur könnte darauf hinweisen, dass die Bewohner der Villa inzwischen an Altersschwäche verstorben sind oder in ein Heim gezogen sind und sich nun niemand der Angehörigen um das Haus kümmern möchte. Das finde ich allerdings merkwürdig, ich würde mein altes Elternhaus nicht so zurücklassen und fremden Menschen die Möglichkeit geben wollen in alten Bildern von meiner Familie und mir und unserem kompletten Hab und Gut rumzustöbern.

Upload: 28.11.2022